Der große Brand in Damme 1691

Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers, Herrn Wolfgang Friemerding.

Eine „grausahme fewerbrunst“ im ganzen Orte Damme

 

Der Tag des unfassbaren Brandes, der 25. April 1691, das Fest des hl. Markus, ist als verheerend in das historische Langzeitgedächtnis der Dammer eingegangen. Die seitdem praktizierte Markusprozession erinnert an dieses markante Ereignis. Im Chor der 1435 errichteten Kirche führte die Inschrift „tecta templi cum turri conflagrata MDCXCI, restaurata MDCXCIII” (die Dächer der Kirche mit dem Turm in Flammen aufgegangen 1691, erneuert 1693) jedem Gottesdienst-Besucher bis zum Abriss 1903 zugunsten eines Kircheneubaus die Katastrophe vor Augen (s. Böcker, S.39).

Wie es dazu kommen konnte, hat sich in sagenhaften Varianten erhalten. Nach der ersten soll es ein lutherischer Schmied gewesen sein, der sich der Gegenreformation widersetzte, unvorsichtig arbeitete, dabei sein Haus und solcherart fast ganz Damme in Brand setzte. Der Volksmund konkretisierte das in der zweiten Variante auf den Brüggenschmied an der Ziegen-(nachmals Donau-)straße, der am sonntäglichen Ruhetag gearbeitet haben soll, anstatt zur Kirche zu gehen. Auch hier wird ihm zur Strafe die Schuld an dem großen Brand gegeben. Man erkennt aber in beiden Versionen die offenbar gelenkte moralisierende Absicht dahinter.

Der tatsächliche Grund wird recht banal gewesen sein, denn in einem Dorf, das ausschließlich Fachwerkbauten vorweist, die mit Stroh oder Reet gedeckt sind und auf der Diele eine offene Herdstelle besitzen, deren Rauchfang einen Abzug unterm First entlang durch die Giebelspitze hatte, waren Brände nicht selten, allerdings eher vereinzelt. Größeres Ausmaß erreichten sie nur, wenn es sich wie hier um eine weitgehend geschlossene Bebauung rund um den Kirchplatz und beidseits der anschließenden Straßenzüge handelte. Längere Trockenheit und ungünstige Winde werden wohl am 25. April 1691 dafür gesorgt haben, dass dieser Brand so schnell und in alle Richtungen um sich griff.

Einen Schmied als Verursacher zu nennen, lag wohl darin begründet, dass dieser für sein Schmiedefeuer eine zusätzliche, oftmals funkensprühende Feuerquelle besaß.

Die Folgen waren allerdings verheerend und für die Bewohner nachhaltig. Laut Visitationsbericht von 1706 hatten 1500 Dammer/innen ihre Wohnungen und den größten Teil ihres materiellen Besitzes verloren, nach Angaben des Dammer Vogtes Johann Heinrich von der Hoya unmittelbar nach dem Brand (1. Mai 1691) waren es rund 1000.

Jürgen Kessel zitiert aus einem Brief des genannten Vogtes: Die „grausahme fewerbrunst“ sei in der Dorfmitte entstanden, habe sich innerhalb einer knappen Stunde auf ganz Damme ausgebreitet und so gewütet, dass die Bewohner kaum mehr retten konnten als ihr Leben und das wenige, was sie auf dem Leibe trugen. Speziell für den unmittelbaren Kirchhofsbereich, der bis auf einige Mauern lückenlos bebaut war, nennt von der Hoya 172 eingeäscherte Zimmer, speziell die Zerstörung von Pfarr-, Küster- und Schulhaus sowie den Einsturz und Brand des Kirchen- und Turmdaches. Die rund um den Kirchplatz angesiedelten 14 Familien (lt. Zählung von 1705, s. Willoh, S. 121) sowie die Händler, die ihre Spieker und Lagerhäuser ringsum an den Kirchhofsmauern hatten, seien durch die Katastrophe am ärgsten betroffen gewesen.

Was daraufhin folgte, war naheliegend: ein Exodus aus dem Dammer Ortskern, denn die Brandgeschädigten suchten Unterkunft bei Verwandten und befreundeten Familien in den Bauerschaften. Wieviel Bewohner der betroffene Ort Damme 1691 tatsächlich hatte, ist kaum zu ermitteln, da münstersche und Osnabrücker Untertanen getrennt und in unterschiedlichen Jahren sowie nicht immer alle Bauerschaften des Kirchspiels, zu dem seinerzeit noch Holdorf gehörte, erfasst wurden. Erst für 1772 gibt es eine verlässliche Gesamtzahl von 4216 (Holdorf mit Bauerschaften inklusive).

Auf jeden Fall lässt sich auf Grund der bezeugten 1000 oder 1500 Ausgebrannten durchaus der Schluss ziehen, dass im Ortskern wohl kaum ein Haus verschont geblieben war. Warum allerdings ausgerechnet das nordwestlich gelegene Haus „Wippeltreppe“ (bei unterschiedlichen Angaben zum Baujahr: 1549, 1564 und 1604 werden überliefert) nicht abbrannte, bleibt rätselhaft (zuletzt erwähnt bei Alwin Schomaker, Das Alte Volk von Damme, ebd. 1964, S. 153, Bd. I), zumal direkt anschließende Haus Ellerbrock, nachmals Strothmeyer, einst im Giebel das Baujahr 1693 trug.

Die katholische St. Viktor-Kirche wies übrigens zum Zeitpunkt des Brandes nach Reformationswirren und 30jährigem Krieg ohnehin schon arge Schäden auf. Laut Visitationsprotokoll von 1651 war der Turm an einer Seite verfallen, das Kirchenschiff-Mauerwerk in schadhaftem Zustand, die Ausstattung im Innern teilweise verrottet oder marode. 1664 hatte überdies der Blitz in den Turm eingeschlagen, doch namhafte Reparaturen ließen die Pfarrer in über vierzig Jahren seit Kriegsende kaum vornehmen – wohl auch ein Hinweis, wie nachhaltig die Verarmung infolge des Dreißigjährigen Krieges andauerte. Der Brand von 1691 versetzte dieser desolaten Kirche dann den endgültigen Todesstoß.

Solch niederschmetternder Zustand hatte jedoch zur Folge, dass eine grundlegende Renovierung bzw. ein Wiederaufbau konsequent verfolgt wurde. Hilfe, so weist Jürgen Kessel nach, musste zwangsläufig von außen kommen, denn die Dammer Bevölkerung war weitgehend mittellos oder durch die Hilfe für ihre Mitbürger stark überlastet. Gefordert war vor allem der Eigentümer des Kirchhofsbezirks, der Fürstbischof von Osnabrück, der in seinem Hochstift Sammlungen in den Kirchen zugunsten der Dammer abhalten ließ, aber auch sämtliche Abgaben der Ausgebrannten an ihn und seine Landadligen für einige Jahre aussetzte. Vonseiten Münsters kam allerdings aufgrund der lang andauernden Querelen zwischen den geistlichen und weltlichen Herren keinerlei Beitrag.

Die Dammer Pfarrer Georg Werner Bertling (1684-1692), Nicolaus Christoph Vinke (1692-1706), Johann Albert Busch (1706) und Albertus Niewedde (1706-1726) erreichten aber bei den Osnabrückern, dass umfangreiche Hand- und Spanndienste zugunsten des Wiederaufbaus angeordnet wurden und in reichhaltigem Maße Baumaterialien geliefert wurden. Dabei stellte sich heraus, dass insbesondere Bauholz schwer zu beschaffen war und von weither geliefert werden musste.

Denn die ehemals bewaldeten Dammer Berge kamen dafür fast gar nicht mehr in Frage. Jahrhundertelang hatte das Vieh das Unterholz und die Jungpflanzen kahl gefressen, hatten die Bauern Laub und Humus entnommen, fand Raubbau am Baumbestand statt, ohne dass systematisch aufgeforstet worden war. Das verursachte größte Schwierigkeiten sowohl für die Kirchen-Wiederherstellung wie auch für die neu zu errichtenden Fachwerkbauten der Dammer Brandopfer.

Aus erhaltenen Kirchenrechnungen rekonstruiert Jürgen Kessel die großen Probleme und ständigen Hindernisse bei der Beschaffung sämtlicher Baumaterialien, auch derjenigen von Kalk und Steinen. Er legt die zahlreichen Bezugsquellen in der weit gefassten Region offen, zeigt die Transportmittel und –wege, das unfassbare Kompetenzgerangel und natürlich die entstandenen Kosten. Auf diese Weise ergibt sich das, was er in seinem Untertitel die „Wirtschafts- und Sozialgeschichte eines zwischen Münster und Osnabrück umstrittenen Kirchspiels“ nennt.

Kessel hält fest, dass in letztlich verblüffend kurzer Zeit schon 1693 das Kirchendach, die Außenmauern von Kirche und Turm sowie dessen neue barocke Haube fertig gestellt waren. Doch zeigen spätere Kirchenrechnungen – auch wenn zwischendurch acht Jahre fehlen -, dass Wiederherstellung und Sanierung des Kircheninventars noch lange Jahre anhielten.

Gleichwohl stellt ein Visitationsprotokoll 1706 einen guten Zustand der Kirche fest, relativiert das aber mit „jedenfalls besser als 1651“. So sehr das für die Kirche gelten mag, für die Dammer Bevölkerung konnte noch lange nicht von einem „guten Zustand“ gesprochen werden, denn noch 1766 hält ein Rauchschatz-Register fest, dass allein ein Viertel aller Armen des Hochstifts Osnabrück im Kirchspiel Damme leben.

Der Dammer Heimat- und Verschönerungsverein „Oldenburgische Schweiz“ hat einen Sonderdruck des Beitrags zum Dammer Brand von 1691 und zum Wiederaufbau der St. Viktor-Kirche von Jürgen Kessel in den „Osnabrücker Mitteilungen“ anfertigen lassen. Er ist als Heft (25 S., 5 Abb., geb.) im Stadtmuseum Damme für 2,50 € erhältlich. Das Stadtmuseum hat sonntags und mittwochs von 15 bis 18 Uhr geöffnet.

 

Literatur:

Böcker, Franz: Geschichte von Damme und des Gaues Dersaburg, Köln 1887

Friemerding, Wolfgang/Migowski, Ludger: Damme im Kaiserreich, Damme 200o

Großherzogliches Staatsministerium (Hg.): Die Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogtums Oldenburg, II. Heft Amt Vechta, Oldenburg 1900, hier: Gemeinde Damme, S. 83-106

Karrenbrock, Reinhard: Die katholische Kirche St. Viktor: Bau und Ausstattung, in: Bade/Kessel/Oberpenning/Schindling (Hg.): Damme. Eine Stadt in ihrer Geschichte, Sigmaringen 1993, S. 195-222

Kessel, Jürgen: Der Brand der Dammer Kirche von 1691. Ein Beitrag zur Wirtschaft- und

Sozialgeschichte eines zwischen Münster und Osnabrück umstrittenen Kirchspiels, in: Osnabrücker Mitteilungen Bd. 94, ebd. 1984, S. 99-124

Katholische Pfarrkirche St. Viktor, Damme (Hg.): St. Viktor, Damme. Geschichte einer Kirche. 100jähriges Weihejubiläum, Damme 2006

Willoh, Karl: Geschichte der katholischen Pfarreien im Herzogtum Oldenburg, Bd. I, Köln 1898

 

 

 

Zu den Fotos (alle Abb. aus dem Archiv des Stadtmuseums Damme):

01 Das Foto der katholischen Kirche St. Viktor in Damme mit Kirchplatz und

Anliegern („Kirchhöfern“) entstand vor 1879. Während das Kirchengebäude 1903

abgerissen wurde, blieb der Turm stehen, der nach dem Brand 1693 seine barocke

Haube erhielt. Zuvor fand sich auf ihm wohl nur ein pyramidenförmiges Dach.

 

02 Hochgotisches Chorgestühl aus St. Viktor, das zwar den Dammer Brand von 1691,

nicht aber den II. Weltkrieg überstanden hat

 

03 Grundrisszeichnung der Kirche St. Viktor von 1435 bzw. der Erweiterung von 1501

mit vorgelagertem Turm (ehem. Haupteingang) von dem Oldenburger Baurat und

Denkmalschützer Adolf Rauchheld (1868-1932), angelegt 1898

 

04 Dem Sandstein des romanischen Taufbeckens (um 1200) konnte der Brand von

1691 nichts anhaben, nur die Abdeckhaube erneuerte man im Laufe der Jahre

mehrfach.

 

05 Aus der Kirchenerweiterung (Chor, Sakristei) von 1501 stammt das hochgotische

Sakramentshäuschen, heute linksseitig des Chores stehend.

 

06 Der St. Annen-Altar sowie das Epitaph der Petronella von Schade auf Gut Ihorst

sind ebenso wie die gegenüber liegende Kanzel nach dem Brand als offensichtlich

hochbarocke Inneneinrichtung 1697 hinzugekommen.